Intellektualität und Lebensstil

Schon als ich zur Schule ging, dachte ich mir, dass es in der Schule ja eigentlich nicht nur darauf ankomme, wie "gescheit" jemand ist, sondern man auch einen bestimmten Lebensstil pflegen müsse, um gut durch die Schule zu kommen. Man muss jeden Tag zur Schule gehen, sich im Unterricht ruhig verhalten und zuhören, außer man wird an die Reihe genommen, nach Schulende nach Hause gehen und Hausübungen machen und so weiter. Ich war schon damals der Meinung, dass ein Intellektueller nicht unbedingt diesen - sagen wir mal - konventionellen Lebensstil pflegen müsse, um intellektuell zu sein, und deswegen es wohl auch Intellektuelle geben müsse, die nicht einmal Matura haben.

Für mich war die Mitgliedschaft im Verein Mensa anfänglich auch aus dem Grunde interessant, weil ich mir erwartete, dort auf Intellektuelle zu treffen, die einen alternativen Lebensstil pflegten und nur aus diesem Grund nicht den Grad formaler Qualifikation erreicht hatten, der ihnen aufgrund ihrer Intelligenz zugestanden wäre. Tatsächlich habe ich bei Mensa aber nur wenige Leute dieser Art angetroffen.

Man lasse mich ein wenig ausholen: Die bürgerliche Gesellschaft kennt, grob gesprochen, folgende Hierarchie:

Unterste Stufe: Kleinbürger. Das sind relativ ungebildete Menschen, die aber die bürgerliche Moral internalisiert haben.

Mittlere Stufe: Bildungsbürger. Diese folgen der bürgerlichen Moral und sind gebildet, aber nicht besonders reich.

Höchste Stufe: Großbürger. Diese weisen Moral, Bildung und Besitz auf.

Was mich persönlich besonders reizte, war der Kontakt zu Leuten, die außerhalb dieser Hierarchie standen. Nämlich solche, die gebildet waren, aber nicht unbedingt der bürgerlichen Moral folgten. Diese Leute glaubte ich bei Mensa zu finden. Denn wenn ich an Bildungsbürgern im klassischen Sinne interessiert gewesen wäre, hätte ich der Mensa nicht beitreten müssen. Statt dessen hätte ich einfach zu einer Studentenverbindung gehen können, dort hätte ich Leute dieser Art angetroffen.

Ich wurde durch Mensa jedoch weitgehend enttäuscht, zumindest durch die österreichische Mensa. Denn die Leute dort sind zum Großteil keineswegs intellektuell, haben dafür aber in der Regel die bürgerliche Moral verinnerlicht. Kurz gesagt, es handelt sich beim Gros der österreichischen Mensa-Mitglieder um Kleinbürger in obigem Sinne.

Das sind eigentlich genau die Leute, mit denen ich am wenigsten zu tun haben will, denn das, was ich an Bildungsbürgern schätze (die Bildung), weisen sie nicht auf, dafür aber das, was ich an Bildungsbürgern nicht schätze (die Moral, das "Spießertum").

Tja, es ist schwierig, Menschen kennen zu lernen, mit denen man einigermaßen auf einer Wellenlänge ist, wenn man so ist, wie ich es bin...

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